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Preisverleihung 24. Jenaer Preis für Zivilcourage und Charlotte-Figulla-Preis 2025

Jena. Dieses Jahr wurden der 24. Jenaer Preis für Zivilcourage und der 21. Charlotte-Figulla-Preis verliehen. Das diesjährige Motto des Charlotte-Figulla-Preises war BEFREIUNG.

Am 26. September um 17 Uhr war es mal wieder soweit: Der Jenaer Preis für Zivilcourage und der Charlotte-Figulla-Preis wurden im Historischen Rathaus Jena vergeben. Durch den Abend führten Linda Kulke und Akbar Ebrahimi von der Kindersprachbrücke, musikalisch begleitet wurde der Abend von der Jenaer Indie-Pop-Band caems. Zunächst wurde der Preis für Zivilcourage und im Anschluss der Charlotte-Figulla-Preis vergeben.

Einleitend hielt der Jenaer Oberbürgermeister, Dr. Thomas Nitzsche, ein kleines Grußwort und eröffnete die Veranstaltung. Er betonte die Wichtigkeit von Zivilcourage, aber auch die Notwendigkeit einer differenzierten Diskussionskultur und Optimismus für die Bewältigung von zukünftigen Herausforderungen.

In der Folge sprach Herr Dr. Stefan Träger. Er ist der CEO der Jenoptik AG, welche dieses Jahr das Preisgeld von 1.000€ stiftete. Er betonte die Verantwortung, die auch die Jenaer Firmen, als Teil der Zivilgesellschaft, für eine offene Gesellschaft tragen und würdigte den Preisträger für sein Handeln.

Im Anschluss trat Dr. Bo* Osdrowski ans Mikrofon, um die Laudatio für den diesjährigen Preisträger zu halten. Dr. Osdrowski ist engagiert bei der Bürgerinitiative Asyl e.V. Jena und lernte über dieses Engagement den diesjährigen Preisträger kennen.

Preisträger Jenaer Preis für Zivilcourage

Der 24. Preisträger des Jenaer Preis für Zivilcourage heißt Shujaa Almohamad. Der 32-Jährige wuchs in Deir-Re-Zor in Syrien auf und lebt seit zwei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und seit einem Jahr in Jena. An einem Abend im Mai 2025 war er auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstelle in Erfurt. In der Nähe des Bahnhofes vernahm er plötzlich Hilferufe. In einer Seitenstraße entdeckte er drei weiße Männer, die auf eine am Boden liegende Person einschlugen und -traten. Durch laute Rufe und entschlossenes Hinlaufen zu dem Geschehen konnte Shujaa Almohamad die Männer verscheuchen. Die Person auf dem Boden war schwer verletzt. Es stellte sich heraus, dass der Verletzte ein afghanischer Geflüchteter war. Der Übergriff auf ihn war offensichtlich rassistisch motiviert.

„Er war fast tot. Ich fragte ihn: „Kennst du die Notrufnummer?“ Er antwortete: „Nein.“ Viele Geflüchtete kennen so etwas nicht. Sie sind hier in Sicherheit, aber oft ohne Hilfe und Informationen.“

Ein Freund des Betroffenen tauchte auf und gemeinsam warteten sie auf die von Shujaa alarmierte Polizei. Des Weiteren informierte er Freund*innen aus Jena, Weimar und Erfurt, die sofort zur Unterstützung kamen. Shujaa sprach vor Ort mit der Polizei und stellte für weitere Ermittlungen als Zeuge zur Verfügung.

Shujaa Almohamad hat einen vielleicht lebensbedrohlichen Angriff auf einen jungen Mann gestoppt, obwohl er leicht selbst Opfer der Männer hätte werden können.

„Das klingt jetzt vielleicht wie die selbstverständlichste Sache der Welt: einer Person zu Hilfe zu kommen, die sich gerade in Lebensgefahr befindet. Aber es ist wichtig, zu erwähnen, dass neben Dir weitere Personen vor Ort waren, die eben nicht eingegriffen haben. Dass Zivilcourage leider nicht selbstverständlich ist. Deshalb ist Dein Handeln zugleich außergewöhnlich und preiswürdig!“

Für dieses mutige Zeigen von Zivilcourage zeichnet die Stadt Jena ihn mit dem 24. Preis für Zivilcourage aus!

Das Preisgeld in Höhe von 1.000€ möchte er an die Bürgerinitiative Asyl e.V. Jena spenden. Dazu sagte er:

„[Ich möchte] alle ermutigen, Geflüchtete zu unterstützen. Sie brauchen Schutz, Wissen und eine Stimme in unserer Gesellschaft. Ich danke allen, die mich in diesem Moment unterstützt haben, und allen, die sich für Geflüchtete einsetzen. Ohne Sie wäre ich heute nicht hier.

Ich möchte sagen, dass ich diesen Preis an den Verein Bürgerinitiative Asyl e.V. Jena spenden werde. Es ist ein Geschenk von mir und von Ihnen zusammen, um Geflüchtete zu unterstützen.“

OB Dr. Thomas Nitzsche (r.), Shujaa Almohamad (m.), Stefan Träger (l.) ©Tina Peißker

Des Weiteren engagiert sich Shujaa Almohamad für Geflüchtete in Thüringen. Er war beteiligt an den Protesten gegen die Art der Unterbringung in dem Erstaufnahmelager in Hermsdorf, organisierte selbstständige Deutschkurse für Geflüchtete und gemeinsames Feiern von Traditionen und Festen. Zudem gründete er ein thüringenweites Netzwerk für Geflüchtete, welchem aktuell nahezu 300 Personen angehören.

„Lieber Shujaa, Du verdienst diesen Preis, denn Du bist ein Vorbild für viele Menschen und Du tust, was selbstverständlich sein sollte, aber nicht selbstverständlich ist.“ (Dr. Bo* Osdrowki in der Laudatio)

Charlotte-Figulla-Preis 2025 „BEFREIUNG“

Nach einer kleinen musikalischen Einlage der Jenaer Indie-Pop-Band caems ging es weiter mit der Verleihung des Charlotte-Figulla-Preises 2025. Jedes Jahr entwickelt KoKont zusammen mit den Jugendparlament das Motto für den Charlotte-Figulla-Preis. Dieses Jahr lautete es „BEFREIUNG“. Bevor die Preisträger*innen bekannt gegeben wurden, trat Karl Rödiger ans Rednerpult.  Karl sprach als Mitglied des Jugendparlaments und sprach über die Wichtigkeit der Unterstützung von Demokratieprojekten, insbesondere in Thüringen. Er mahnte die städtischen Vertreter vor Ort an, sich für den Erhalt von diesen Projekten und einer Förderung von Vielfalt insbesondere auch in der Jugendarbeit stark zu machen.

Preisträger*innen 2024

Der Charlotte-Figulla-Preis ist der Tochter von Prof. Dr. Hans-Reiner-Figulla und frau Jutta Söhnle-Jünemann gewidmet, die viel zu früh verstarb. Charlotte Figulla genoss in ihrem kurzen Leben die Vielfalt der Menschen in anderen Ländern, deren Bräuche, Landschafen und Farben. Ihre Eindrücke dazu verarbeitete sie in der Malerei. Deshalb soll der ihr gewidmete Preis Jugendliche und junge Erwachsene dazu ermutigen, sich mit den Themenfeldern Demokratie, Gesellschaft und Mitbestimmung künstlerisch auseinanderzusetzen. Dabei sind die jungen Menschen frei in der Form der Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch in diesem Jahr wurden verschiedenste Formen gewählt; es erreichten uns Gemälde, Collagen, Videos, Gedichte und Texte verschiedenster Art.

Dieses Jahr wurden sieben Beiträge mit einem Preisgeld gewürdigt. Insgesamt wurden so 4.000€ als Preisgeld ausgeschüttet. Das Preisgeld wird dabei komplett von Herrn Prof. Dr. Hans-Reiner Figulla und Frau Jutta Söhnle-Jünemann gestiftet.

Escape Game

Als erstes wurde ein Einzelprojekt von Lea Jungk ausgezeichnet. Sie reichte ein Bild auf Leinwand mit dem Titel „Escape Game“ ein. Sie selbst beschreibt ihr Bild folgendermaßen:

Gemälde „Escape Game“ ©Lea Jungk

„Ich dachte an meine Kindheit und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es mir am meisten geholfen hätte ohne jegliche Außenwahrnehmung, ohne Erwartungen und ohne gesellschaftlichen Druck aufzuwachsen. Einfach so zu sein, wie ich es bin- eine rein utopische Vorstellung, und doch die Wahrheit. Das Bild zeigt diese rein utopische Vorstellung: befreit von gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungen aufzuwachsen und fängt gleichzeitig den spielerischen Charakter des Aufwachsens ein. Zusätzlich zeigt es die dunklen Seiten derer, die den Erwartungen und Druck der Gesellschaft verfallen sind. Derer die davon profitieren und derer die daran zerbrechen.“

Sie erhielt ein Preisgeld in Höhe von 400€.

Gemälde „Explosion der Stille“ ©Barbare Bukia

Explosion der Stille

Ein Preisgeld von 400€ ging an Barbare Bukia. Sie reichte ein Bild auf Leinwand ein, welches zeigen soll, dass Freiheit nichts Kleines und Leises ist, sondern wie eine Explosion. Sie beschrieb es folgendermaßen:

„Ein Ausbruch von Licht in der Dunkelheit. Sie ist chaotisch, farbenfroh und voller Energie. Im Zentrum ist das Licht, das ist der Kern der Freiheit. Dieses Licht steht für Wahrheit, für das Recht, so zu sein, wie man ist. Für das Recht zu wachsen, zu träumen, zu sprechen.“

Sie möchte zeigen, dass die Freiheit nicht im Außen, sondern im inneren eines jeden Menschen steckt. Freiheit sei nicht etwas Egoistisches, sondern etwas, was wir teilen sollten.

Glimpse of Freedom

Ein Klavierstück mit dem Titel „Glimpse of Freedom“ komponiert von Valentin Wu erhielt ebenfalls ein Preisgeld von 400€. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Titel „ein kurzer Blick von Freiheit“. Valentin will mit dem Stück die Erfahrung beschreiben einen kurzen Moment der Freiheit zu erleben. Valentin beschreibt seine Interpretation des Stücks wie folgt:

„Das Stück beginnt simpel, langsam und ruhig. Der Anfang des Stückes beschreibt die Stimmung im Leben bestimmt durch den Alltag, der Umgebung, Freunde, Familie und alles, was dich an den Alltag bindet. Es hat ein Ton der Langweile und Unterdrücktheit. Dann kommt die Erkenntnis dieser Gefangenheit: Die Musik baut sich auf und es kommt langsam zum Höhepunkt. Reue, ein Hauch von Selbsthass, aber vor allem die Freude auf was jetzt möglich wäre, nachdem man den eigenen gefangen Zustand realisiert hat.
Ein Umschwung: Plötzlich wirkt die Welt klarer, schöner. Freiheit – so nenne ich diesen Zustand. Man ist befreit von der Umgebung, die dich an den Alltag bindet und alles wirkt ruhiger.“

Bei der Verleihung wurde ein kurzer Ausschnitt der Aufnahme gezeigt.

Valentin erhielt ein Preisgeld in Höhe von 400€.

Gemälde „Befreiung von Sorgen – Die erste Nacht ohne Angst“ ©Charlotte Näther

Befreiung von Sorgen – Die erste Nacht ohne Angst

Als drittes wurde Charlotte Näther für ihren Bild auf Leinwand mit dem Titel: „Befreiung von Sorgen – Die erste Nacht ohne Angst“. Die Idee für das Gemälde kam ihr, nachdem sie eine Dokumentation mit dem Titel „Was tun“ anschaute, die das Thema Frauen-Bordelle in Bangladesch thematisierte. Dabei blieben ihr vor allem die Bilder der Kinder im Kopf, die am Straßenrand, ohne ihre weggesperrten Mütter und ohne weitere Verwandte hilflos waren. Inspirierend für sie war dann, dass der Filmemacher Michael Kranz mittels Spenden ein Kinderheim für Jungen aufbauen konnte.

„Ich entschied mich nicht für traurige Bilder in Gefangenschaft, Missbrauch, Armut und Angst. Der Erfolg des Filmes ist der eigentlich inspirierende Teil, welcher Ermutigung in Europa erwecken sollte. Die Freude auf Kindergesichtern über einen trockenen, sicheren Platz mit 4 Wänden, berührt und motiviert.“

Charlotte erhielt ein Preisgeld von 400€.

Die Kette

Die nächste Preisträgerin berührte das Publikum mit dem Vortrag ihres Gedichtes „Die Kette“. In dem Gedicht setzt Ayat Al Hamadi sich mit familiärem und gesellschaftlichem Druck auseinander, dem sie sich ausgesetzt sah. Sie beschrieb auf besondere Art, dass sie ihr Selbst unterdrückte, nach und nach diese erkannte und sich dann von diesen Zwängen befreien konnte.

„Dass Stürme zieh’n und Wolken geh’n,
am Horizont die Sterne steh’n.
Dass ich nicht immer stark allein,
denn irgendwann wird alles heil sein.

Ich brauche nur ein kleines Wort,
das Hoffnung schenkt an jedem Ort.
Das flüstert leise, doch so klar:
„Vertrau dir selbst – es wird bald wahr.“

Und die Hoffnung wächst wie Gras aus dem Stein:
Vielleicht darf ich endlich ganz einfach ich sein.“

Sie erhielt ein Preisgeld von 400€.

Die Kunst der Befreiung

Die erste Auszeichnung einer Gruppe erhielten die Teilnehmenden der praxisorientierten Maßnahme PERSPEKTIVE aus Saalfeld für ihren Beitrag „Die Kunst der Befreiung“.

Die sechs Jugendlichen überlegten sich, was Befreiung für sie bedeutet, und suchten dazu passende Materialien heraus.

„[Die Teilnehmenden] suchen passendes Material zum Thema Befreiung aus dem Internet heraus, fertigen eigene Bilder/Zeichnungen an, fotografieren passende Motive etc. Ganz nach den Fähigkeiten und Fertigkeiten jedes Einzelnen, jeder sollte die Chance zur Teilnahme haben.“

Am Ende entstand eine Collage aus Bildern, Fotos, textlichen Auseinandersetzungen und kleinen Bastelarbeiten. So entstand ein Kunstwerk aus kreativen Ideen zum Thema Befreiung.

Sie erhielten ein Preisgeld von 1.000€.

Das alles ist Befreiung für mich

Bildersammlung „Das alles ist Befreiung für mich“ ©Werkstattschule Jena

Der letzte Beitrag, der ausgezeichnet wurde, kam von der Werkstattschule Jena. Nachdem einige Schüler die Schule nach dem Hauptschulabschluss verließen, wurden die verbliebenen Schüler*innen zu einer neuen 9. Klasse zusammengesetzt. Der Wettbewerb bot die Möglichkeit als neue Klasse zusammenzuwachsen. Die Schüler*innen kamen auf ihren Lehrer zu und wollten sich mit dem Thema Befreiung auseinandersetzen. So setze sich er Kurs drei Wochen im Kunstunterricht mit dem Thema auseinander.

Dabei kamen viele Verschiedene Bilder, die teilweise einzeln, aber auch in kleinen Gruppen erstellt wurden heraus. Der Lehrer beschreibt den Prozess wie folgt:

„Bei der kreativen Umsetzung gab es auch hier keine „Einschränkung“, daher haben wir digital erstellte Werke, Texte, Fotos, Collagen und Zeichnungen. Jedes Werk ist so individuell wie der oder die schaffende Künstlerin. Jeder konnte sich also in der sehr heterogenen Gruppe, je nach Leistungsvermögen, ins Ganze einbringen.“

Heraus kamen die verschiedensten Zugänge und Perspektiven auf das Thema Befreiung. Sei es von Sozialen Zwängen, von Konsum oder von inneren Blockaden.

Der Kunstkurs erhielt ein Preisgeld in Höhe von 1.000€.

Gemütlicher Ausklang des Abends

Nachdem alle Preise vergeben und alle Preisträger*innen für Fotos posiert hatten, gab es noch ein kleines Buffet, im Nachbarraum, wo auch alle Einreichungen für den diesjährigen Charlotte-Figulla-Preis präsentiert wurden. Es war dieses Jahr wieder eine bunte Mischung aus den verschiedensten Formaten und Darstellungsformen. Zudem erreichte KoKont dieses Jahr die bisher meisten Einreichungen. Wir freuen uns schon auf die Beiträge, die uns im nächsten Jahr erwarten.

Während das Buffet der Distelschänke genossen und die Ausstellung angeschaut werden konnte, fand gemeinsam in entspannter Atmosphäre der Abend ein schönes Ende.

Wir gratulieren Shujaa Almohamad und allen diesjährigen Preisträger*innen und freuen uns schon auf das nächste Jahr!

Vielen Dank an Dr. Stefan Träger, Sabine Klisch und der Jenoptik AG, OB Dr. Thomas Nietzsche, Karl Rödiger und der Band caems für die Mitgestaltung dieses schönen Abends. Des Weiteren gilt ein großer Dank der Moderation des Abends, Linda Kulke und Akbar Ebrahimi von der Kindersprachbrücke!

Ein großer Dank auch an alle, die uns Personen für den Jenaer Preis für Zivilcourage vorgeschlagen und an alle, die einen Beitrag für den Charlotte-Figulla-Preis eingereicht haben!

Vielen Dank ebenso unseren Spendern, ohne die die Preisverleihung dieses Jahr nicht hätte stattfinden können: Stadtwerke Jena-Pößneck, Distelschänke Jena, asi – Anlagen Service Instandhaltung, Carl Zeiss AG, ACP – IT for innovators, Sparkasse Jena-Saale-Holzland, JENOPTIK und JenaWohnen.